Bozen Bibliothekenzentrum
Bibliothekenzentrum
I - Bozen 2004
Europaweiter Planungswettbewerb - e.W.
Der Funktionsablauf ist überzeugend gelöst. Die Typologie der Punktbebauung wird als mögliche Lösung für die Bauaufgabe angesehen. Die Funktionen sind in diesem Projekt besser organisiert als in den anderen Projekten dieser Typologie.”
(Auszug Preisgerichtsprotokoll - Nachrücker für die Spesenvergütung - 11. Platz von 200 Teilnehmern)
Das neue Bibliothekenzentrum Bozen stellt als zentrale, nicht nur wissenschaftlich genutzte, Bibliothekseinrichtung für Bozen und Südtirol eine neue Kultur- und Bildungseinrichtung von überregionaler Bedeutung dar. Neben dem Aufbewahren von Büchern und anderen Medieneinheiten genügt es sowohl wissenschaftlichem Arbeiten als auch kulturellen Ansprüchen.
Die drei Bibliotheken, die sich das Zentrum teilen, treten nach außen als gemeinsame Einrichtung auf, ergänzen sich untereinander mit ihren Spezialgebieten und bieten so dem Nutzer eine grosse Informationsfülle an. Flexibilität, Offenheit und ein einladendes Erscheinungsbild der Bibliothek sind zentrale Bestandteile der Aufgabe, die im vorliegenden Entwurf maßgeblich auf die Gestaltsfindung eingewirkt haben.
Urbanistische Integration
Das Zentrum wendet sich mit Veranstaltungen, neuen Medien, Kinder- und Jugendprogrammen der Bevölkerung zu und trägt ein lebendiges Bild vom Lesen nach außen. Diesem Anspruch nach einem attraktiven Treffpunkt, einem Ort für Bücher, Bildung und Kultur wird bereits im städtebaulichen Dialog mit dem Umfeld Rechnung getragen.
Charakteristisch für das urbane Umfeld des Wettbewerbsgebiets ist die typische Abfolge von "engeren" Straßenräumen und, sich Sonne und Himmel öffnenden Plätzen.
Im Übergangsbereich zwischen dem städtischen Flair der Freiheitsstrasse und dem durch Wohnnutzung geprägten Umfeld schafft das Bibliothekenzentrum einen neuen Ort, der gleichermaßen die Qualität des Quartiers erhöht als auch einen weiteren kulturellen Anlaufpunkt im Stadtgefüge darstellt.
Zur Frage einer eventuellen Integration der bestehenden Gebäude lässt sich feststellen, dass neben statisch konstruktiven Aspekten vor allem inhaltlich übergeordnete Argumente gegen eine Umnutzung der jetzigen Schulgebäude sprechen: Die Veränderungen, die die neue Nutzung erforderlich macht, würden um dem Gedanken an die zentrale Einrichtung für das Bibliothekswesen in Bozen und Südtirol inhaltlich gerecht zu werden so stark in die vorgefundene Gebäudestruktur eingreifen, dass von dieser nur noch rudimentäre Fragmente erhalten blieben. Die Schulgebäude würden durch eine so umfangreiche Umbaumaßnahme, wie die hier zu erwartende, sowohl ihrer Identität als auch ihres Erinnerungswertes beraubt werden. Des weiteren steht gerade bei einem Gebäude mit großer Öffentlichkeit dem inneren Anspruch der Bibliotheksaufgabe die städtebauliche Forderung nach einem angemessenen Umfeld gegenüber. Im Rahmen der bestehenden Gebäudestruktur würde sich diese nicht ausreichend verwirklichen können.
Der Entwurf sieht an der Südostseite des Geländes einen öffentlichen Platz vor, der städtebaulich als integrierendes Element wirkt, dem Gebäude eine klare Vorzone gibt und als zentraler Anlaufpunkt im Quartier funktioniert.
Der Bibliotheksplatz ist gleichzeitig eine räumliche Verknüpfung zur Freiheitsstrasse, indem er sich in Verlängerung der Via Longon aufweitet und dem Betrachter so die Möglichkeit gibt, das Gebäude bereits aus einer gewissen Distanz zu erfassen.
Neben städtebaulichen Überlegungen stellt er aber vor allem eine belebte Bühne und einen attraktiven Treffpunkt dar. Als Hinführung zum "Erlebnis Lesen" führt er über Stufen und Rampe leicht ansteigend in das Gebäude. Ein Brunnen mit Wasserbecken und eine Baumreihe schliessen ihn nach Südwesten ab, ohne die Nachbarschaft "abzuschotten". Als Elemente der Platzgestaltung treten besonders die Wasser- und Sitzstufen in Erscheinung, die vor allem abends durch die in die Platzstufen integrierte Beleuchtung ergänzt werden.
Gebäudestruktur
Der Bibliotheksbesucher betritt vom Platz aus das Eingangsfoyer mit Café und Forum. Diese beiden Einrichtungen lassen sich bei Bedarf unabhängig vom Bibliothekenzentrum betreiben. Von der kleinen Lesung bis zum Sommerkonzert auf dem Platz sind vielfältige Veranstaltungs- konzepte durchführbar. Der ruhige gestalterische Rahmen der öffentlichen Erdgeschosszone bietet viel Platz für Inszenierung und Darstellung, die verschiebbaren Glaswände des Forums lassen sich z.B. ebenso als raumteilende Elemente für Ausstellungen nutzen wie z.B. auch als transluzente Projektionsflächen für Film- und Videoinstallationen.
Im direkten Anschluss hieran befindet sich das "Herz": Raum für Ausstellungen und Präsentationen, hier stellt sich die Bibliothek vor. Um diesen zentralen Bereich herum ordnen sich Verbuchung, Informationszen- trum, Veranstaltungsforum und Kindermedienzentrum an.
Die zentrale vertikale Erschliessung führt im luftig hellen Atrium nach oben, die sich nach innen abtreppenden Galerien mit Arbeitsplätzen und die beiden sich zum Himmel öffnenden Lufträume bieten inter- essante Raumeindrücke und Blickbeziehungen zwischen den "Büchergeschossen". Von hier aus gelangt der Besucher in alle öfentlich zugänglichen Bereiche, kann sich im Ausstellungsbereich über das aktuelle Geschehen im Zentrum informieren und passiert beim Verlassen der Bibliothek die Verbuchungszone.
Ab dem 1. Obergeschoss schliesst das Gebäude nach Nordwesten mit den Verwaltungsbereichen ab. Diese sind auf allen Ebenen über ein Infoterminal mit den Benutzerflächen verbunden, die zenrale Buchförderanlage sorgt für den Transport der Bücher in alle Geschosse und verbindet die Bereiche der Bibliothek - Verwaltung, Lesebereiche, Magazin. Im 1. Obergeschoss umschliessen die Flächen des Freihandmagazins den abtrennbaren Jugendbereich.
Tirolensien und Fiction belegen zusammen mit den Sondersammlungen das 2. Obergeschoss. Der flächenintensivste Bereich der
Non-Fiction nimmt die beiden oberen Geschosse ein. Eine sich auf allen Geschossen wiederholende Grundorganisation mit Erschliessung, Information und den Arbeitsplätzen (um das Atrium herum sowie auf der Südostseite zum Platz hin) erleichtert dem Besucher die Orientierung, lässt aber aufgrund der offenen Grundrissdisposition grösstmögliche Freiheit in Bezug auf eine mögliche Um- und Neuorganisation der Bibliotheksorganisation zu. Ohne dass der Besucher sich drei Bibliotheken gegenübersieht, lassen sich ein- erseits problemlos einzelne autarke Bereiche definieren und verwalten, andererseits ebenso unkompliziert neue Entwicklungen und Ideen verwirklichen. Gerade hinsichtlich der rasanten Entwicklung im Bereich der Medien trägt die vorliegende Gebäudestruktur dem Wunsch des Auslobers Rechnung, eventuelle Verschiebungen, Zusammenlegungen oder Umorganisationen von Teilflächen zu erlauben.
Erschließung
Neben der zentralen, repräsentativen und grosszügigen Erschliessung im Atrium befindet sich auf der Nordwestseite zwei Treppenhauskerne, die als Fluchtreppenhäuser dienen, aber primär als verwaltungsinterne Verbindung verstanden werden. Die Verwaltung hat zur Via Diaz hin einen separaten Eingang, über den auch die Dienstwohnung erschlossen wird. Hier befindet sich sowohl die Einfahrt in die Tiefgarage als auch eine separate Verbindung zum geschlossenen Magazin im Untergeschoss. Des weiteren ist der Zugang von einer eigens ausgewiesenen Anlieferungszone im Untergeschoss gewährleistet, von wo aus die zentrale Buchförderanlage alle Ebenen verbindet.
Erscheinungsbild
Im Dialog mit der umgebenden Bebauung spielt vor allem die einladende Offenheit der zweigeschossigen, transparenten Sockelzone eine wichtige Rolle. Diese wird durch geschlossene Fassadenbereiche ergänzt, die durch Reflexionen zur Entmaterialisierung des Volumens beitragen. Einblicke in den öffentlichen Bereich der Bibliothek machen neugierig und fordern zum Erkunden der Bücherwelt auf, Veranstaltungen und Ausstellungen bringen das Innenleben des Bibliothekenzentrums nach Aussen. Gleichzeitig bietet die eher geschlossen gehaltene Gestaltung der Lesebereiche mit gezielten, schlitzartigen Ausblicken die nötige Rückzugsmöglichkeit, welche für konzentriertes Arbeiten erforderlich ist. Differenzierte Lichtstimmungen, von oben beleuchtete Arbeitsplätze um das Atrium oder die beiden Lichttrichter schaffen Orientierungspunkte für den Benutzer, eröffnen vielfältige Blickbeziehungen zwischen den Bereichen und lockern die Präsentation der Medieneinheiten auf.